29. März 2022

Unternehmensbewertung mit dem Multiplikatorverfahren

Unternehmensbewertungen haben im Wirtschaftsleben eine bedeutende Stellung eingenommen. Die Gründe für eine Unternehmensbewertung sind vielfältig. Insbesondere bei der entgeltlichen Übertragung eines Unternehmens oder eines Anteils an einem Unternehmen stellt sich der Verkäufer regelmäßig die Frage, wie viel sein Unternehmen wert ist und kommt dabei an einer fundierten Unternehmensbewertung nicht vorbei.

Das Ziel einer Unternehmensbewertung ist es, alle Faktoren für einen möglichst genauen Wert zu ermitteln. Zu beachten ist, dass dieser Wert neben den objektiven Kriterien der Berechnung auch stark durch die subjektive Wahrnehmung von Käufer und Verkäufer geprägt ist. Mit dem Unternehmenswert als Grundlage, werden bei erfolgreichen Transaktionen im Rahmen der Kaufverhandlungen die Vorstellungen von dem Verkäufer und Käufer zu einem Kaufpreis zusammengeführt.

Bewertungsverfahren im Überblick

In der modernen Beratungspraxis haben sich verschiedene Bewertungsverfahren etabliert. Zu differenzieren ist zwischen drei Kategorien bestehend aus: den Ertragswertverfahren, den Substanzwertverfahren und marktorientierten Bewertungsmethoden. Die Wahl des Bewertungsverfahrens ist insbesondere unter Beachtung der Rechtsform und der Branche zu treffen.

Im Rahmen der Bewertung von Unternehmen, ist die sogenannte Discounted Cash Flow-Methode am weitesten verbreitet. Dabei werden die zukünftigen Zahlungsströme des Unternehmens mit einem zu bestimmenden Diskontierungszinssatz abgezinst. Zwar ist die DCF-Methode investitionstheoretisch solide fundiert, aber aufgrund der regelmäßig subjektiven Prognosen u.a. zukünftiger Cash-Flows ist das Verfahren in der Praxis sehr komplex.

Neben dem DCF-Verfahren stellt die Bewertungspraxis eine weitere Variante zur Bestimmung des Unternehmenswertes bereit. Das Multiplikatorverfahren: Mit dem Ziel das subjektive Ermessen des Bewerters durch die Objektivität des Marktes zu ersetzen, erfolgt die Wertermittlung nicht durch Diskontierung subjektiv prognostizierter Zahlungsströme, sondern durch die Übertragung des Wertes eines oder mehrerer Vergleichsunternehmen auf das Bewertungsobjekt. Im Folgenden gehen wir näher auf das Multiplikatorverfahren ein, welches als gängiges Mittel zur überschlägigen Berechnung des Unternehmenswertes dient.

Einordnung des Multiplikatorverfahrens

Das Multiplikatorverfahren ist den marktorientierten Bewertungsmethoden zuzuordnen und eine einfache und marktnahe Methode, um den Wert eines Unternehmens zu berechnen. Die Ermittlung des Unternehmenswertes erfolgt dabei grundsätzlich durch die Multiplikation einer Betriebskennzahl mit einer entsprechenden Verhältniskennzahl (Multiplikator). Der Multiplikator spiegelt dabei die Zahlen realer Verkäufe vergleichbarer Unternehmen wider, was einen ausreichenden Datensatz von Unternehmenstransaktionen bei der Berechnung voraussetzt.

Was ist ein Multiplikator?

Multiplikatoren („multiples“) entstehen landes- und branchenspezifisch durch Beobachtung der für Unternehmen real bezahlten Preise und damit die Bewertung. Jeder Multiplikator ist eine Verhältniskennzahl zwischen dem realisierten Marktwert und der gewählten Betriebskennzahl eines Unternehmens. In der Praxis werden zumeist Zahlen aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung oder der Kapitalflussrechnung als Betriebskennzahl herangezogen.

Multiplikator = Unternehmenswert / Bezugsgröße

Unternehmenswert = Bezugsgröße x Multiplikator

Da die vorgenannten Formeln ein lineares Verhältnis zwischen dem Unternehmenswert und der Bezugsgröße implizieren, gilt es die wesentlichen Wertdeterminanten des Unternehmens in der verwendeten Bezugsgröße abzubilden.

Finanzmathematisch ist der Multiplikator, wie die ewige Rente oder Gordon Growth Formel, eine reduzierte ewige Wachstumsformel. Ähnlich wie der Mietmultiplikator, der eingängig die ewige Rente auf eine angenommene Miete beschreibt, kann folgende Formel ausgedrückt werden:

Unternehmenswert = Bezugsgröße x (1+ ewiges Wachstum / (Risikokosten – ewiges Wachstum))

Im Rahmen der marktorientierten Unternehmensbewertung werden zwei Arten von Multiplikatorverfahren unterschieden. Während die Verhältniszahlen bei Börsen-Multiples auf den Börsenkursen vergleichbarer börsennotierter Unternehmen basieren, werden bei M&A Multiples die bezahlten Kaufpreise bei Unternehmenskäufen (Transaktionen) herangezogen.

Fallbeispiel einer Unternehmensbewertung

Um den Wert eines Unternehmens zu berechnen, werden Multiplikatoren von den Verkäufen vergleichbarer Unternehmen (nach Geografie, Branche, Größe, u.ä.) herangezogen. Aus den resultierenden Werten wird der Durchschnittswert ermittelt, manchmal auch unter Ausschluss von Ausreißern. Anschließend wird dieser mit der gewählten Kennzahl des zu bewertenden Unternehmens multipliziert. Folglich sind zwei maßgebliche Variablen gegeben: zum einen bedarf es der passenden Auswahl eines Multiplikators. Dabei werden Kennzahlen wie beispielsweise das EBIT, EBITDA oder der Umsatz des zu bewertenden Unternehmens in das Verhältnis zum Unternehmenswert gesetzt. Zum anderen bedarf es der Auswahl der richtigen Vergleichsgruppe. Hierbei sind insbesondere Kennzahlen wie die Mitarbeiteranzahl, Unternehmensgröße und vergleichbare Finanz- und Vermögensstruktur der Vergleichsunternehmen bzw. vergleichbare M&A-Transaktionen zu beachten.

Zudem unterscheidet man hinsichtlich des Unternehmenswerts zwischen Gesamtunternehmenswert (engl. „Enterprise Value“ oder „Firm Value“) und dem Wert des Eigenkapitals (engl. „Equity Value“). Der für den Eigentümer relevante Unternehmenswert ist regelmäßig der Equity Value. Dieser errechnet sich wie folgt: Während Finanzverbindlichkeiten dem Enterprise Value in Abzug zu bringen sind, bedarf es einer Addition überschüssiger liquider Mittel. Das Nachfolgende Beispiel dient der Veranschaulichung:

Folgend ist ein Produktionsunternehmen mit einem Umsatz von 3.200.000 EUR und einem EBIT von 576.000 EUR zu bewerten. Hierfür werden die Verkaufspreise von sechs anderen Produktionsunternehmen mit vergleichbarer Größe und Betriebsstruktur herangezogen.

Die Verhältniskennzahlen werden berechnet und der Durchschnitt gebildet. Es wird die Annahme getroffen, dass für die anderen Produktionsunternehmen im Durchschnitt das 1,1-fache des Umsatzes sowie das 5,7-fache des EBIT bezahlt worden ist. Errechnete Verhältniskennzahlen werden nun mit der jeweiligen Betriebskennzahl des Unternehmens multipliziert. Daraus ergibt sich im vorliegenden Beispiel eine Wertbandbreite von 3.283.200 (EBIT-Multiplikator) bis 3.520.000 (Umsatz-Multiplikator) für das zu bewertende Produktionsunternehmen.

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Grenzen des Multiplikatorverfahrens

Zwar ist das Multiplikatorverfahren einfach anzuwenden, aber es bedarf zur Bestimmung einer passenden Verhältniskennzahl immer eines ausreichenden Datensatzes. Insbesondere bei Kleinunternehmen stößt die Methode daher oftmals an Ihre Grenzen. Ein gravierendes Thema gerade im Bereich von KMU ist der meist bewertungsreduzierende Einfluss von besonderen Faktoren wie geringe Größe, keine Fungibilität, Eigentümerabhängig etc. Diese führen zu einem signifikanten Abschlag im Vergleich zu verfügbaren Börsen- oder M&A-Multiplikatoren. Dieser Abschlag ist regelmäßig schwer empirisch quantifizierbar, da geringe Markttransparenz besteht. Auch die bezahlten Kaufpreise werden bei M&A-Transaktionen oft nicht veröffentlicht, wodurch die Auswahl zumeist sehr eingeschränkt und die Vergleichbarkeit erschwert ist. Zudem sind die bezahlten Kaufpreise grundsätzlich das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses, in dessen Rahmen eine Vielzahl weiterer Parameter wie beispielsweise Transaktionsstruktur und etwaige Garantien/Gewährleistungen eine entscheidende Rolle spielen.

Vor- und Nachteile des Multiplikatorverfahrens

Einerseits: Die Grundproblematik des Multiplikatorverfahrens liegt in der Identifikation geeigneter Vergleichsunternehmen. Grundsätzlich können dabei sowohl operative Kriterien als auch finanzielle Verhältnisse herangezogen werden. Bei mangelnder Vergleichbarkeit dieser Kriterien ist die Gruppe von Vergleichsunternehmen („peer group“) stark eingeschränkt und möglicherweise nicht mehr repräsentativ. Lockert man andererseits die Vergleichskriterien, vergrößert sich der Ermessensspielraum des Bewerters. Um den Einfluss unterschiedlicher Vergleichsgruppen auf den Unternehmenswert zu verdeutlichen, werden in der Praxis mehrere Vergleichsgruppen gebildet. Ein weiterer Nachteil, der aber durch zusätzliche Analysen kompensiert werden kann, ist die fehlende Bereinigung externer Faktoren. Insbesondere die individuellen Strategien der Investoren bleiben im Verfahren unberücksichtigt.

Andererseits: Die Unternehmensbewertung mit Multiplikatoren ist ein einfaches und leicht verständliches Verfahren zur überschlägigen Berechnung des Unternehmenswertes. Die Bewertung erfolgt aufgrund extern verfügbarer Informationen, kann auch bei schlechtem Informationsstand durchgeführt werden und genießt eine hohe Akzeptanz am Markt.

Fazit: Das Multiplikatorverfahren ermöglich eine schnelle erste Beurteilung

Das Multiplikatorverfahren basiert auf den Zahlen von realen Transaktionen, wodurch es einen hohen Praxisbezug hat und auf Grundlage eines ausreichenden Datensatzes auch einfach und schnell anzuwenden ist. Es ermöglicht dem Anwender eine erste grobe Vorstellung vom Wert des Unternehmens.

Für eine präzise Analyse des Unternehmenswertes bleibt eine fundierte Analyse des Unternehmens jedoch unerlässlich. Durch die Ergebnisse der verschiedenen Bewertungsverfahren erhält der Anwender einen guten Überblick über die Spanne eines möglichen Kaufpreises und kann dies im Rahmen der Vertragsverhandlung entsprechend berücksichtigen.