Von Bernhard Kluge 20. Januar 2017
Ein wesentlicher, oft sogar vordergründig der wichtigste Aspekt beim Unternehmensverkauf ist der Unternehmenswert, Preis oder Verkaufserlös. Und direkt hier beginnen unterschiedliche Interpretationen und Missverständnisse, da diese Begriffe manchmal deckungsgleich oder nicht klar abgegrenzt verwendet werden.Der Begriff Wert alleine ist bereits abstrakt. Es gibt den Wert des Lebenswerkes und den Wert von zukünftigen Erträgen oder Zahlungsströmen. Wert wird etwas zugemessen, aber Wert wird auch generiert.
Unabhängig vom Wert gibt es einen Preis, den jemand bereit ist zu bezahlen oder für den jemand bereit ist etwas zu verkaufen. In den transparenten und effizienten Märkten der volkswirtschaftlichen Theorie bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis für eine Ware – wohlgemerkt nicht den Wert. Aber der Markt für Unternehmen ist weder transparent noch effizient, also kommen hier noch erschwerend weitere Aspekte wie Suchkosten, Zeitpunkt des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage und so weiter hinzu. In welcher Form dieser Preis bezahlt wird, also welcher Verkaufserlös (in bar) beim Verkäufer ankommt ist noch ein ganz anderes Thema.
Was heißt das „in der Praxis“? Der vom Verkäufer erwartete Unternehmenswert sollte durch eine objektive und praxiserprobte Unternehmensbewertung verifiziert werden. Objektiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Ermittlung des Unternehmenswertes durch anerkannte und erprobte Bewertungsmethoden (Multiplikatoren, Ertragswert beziehungsweise Discounted Cash Flow) stattfinden muss.
Praxiserprobt bedeutet, dass durch Erfahrung bestätigte Annahmen zugrunde gelegt werden, die eine realistische Unternehmensbewertung ermöglichen, die auch von Käufern akzeptiert wird. Das gilt für die Multiplikatoren, Planungsannahmen und Abzinsungssätze. Man sieht immer wieder, gerade auch von Wirtschaftsprüfern und Gutachtern, die Verwendung völlig unrealistischer Multiplikatoren und Abzinsungssätze. Mathematisch hängen Multiplikatoren und Abzinsungssätze eng zusammen, da sie nur zwei verschiedene Darstellungen von Wachstumsannahmen und Risikokosten sind. Für Klein- und Mittelunternehmen – und das sind keine börsennotierten Unternehmen und kein großer Mittelstand – sind wesentlich höhere Risikoaufschläge anzunehmen. Das resultiert in Eigenkapitalkosten von jenseits über 10% (meist 15% bis 20%). Zur Relativierung muss berücksichtigt werden, dass Bankfinanzierungen von Unternehmenskäufen auch schon bei 6% Aufschlag zum Leitzins liegen. Mezzaninfinanzierung von Förderbanken liegen bei knapp 10%. Wenn also mit Eigenkapitalkosten von 6% gerechnet wird, kommt man regelmäßig zu unzutreffenden Ergebnissen. Im Umkehrschluss gilt das ebenso für Multiplikatoren. “Acht Mal EBIT” (Betriebsergebnis) mag für ein börsengelistetes oder sehr stark wachsendes Unternehmen geeignet sein, aber nicht für ein kleines produzierendes Unternehmen oder einen Handwerksbetrieb. In diesem Fall ist eher auf Kapitalrückflussdauer zu achten und da können fünf Jahre schon eher lang sein. Es ist nützlich sich selbst in die Rolle des Käufers zu versetzten und ehrlich abzuschätzen, wie viele Jahre man bereit wäre zu warten, bis der eingesetzte Kaufpreis wieder erwirtschaftet wird.
Ein guter Berater weist den Verkäufer auf diese Zusammenhänge hin und erstellt mit Hilfe der unterschiedlichen marktgängigen Bewertungsmethoden eine Übersicht für eine praxisnahe und relevante Unternehmensbewertung. Die Diskussion und Ableitung eines Geschäftsplanes bzw. einer Prognoserechnung für zwei bis drei Jahre hilft hierbei und gibt eine zusätzliche Argumentationsbasis für Gespräche mit Käufern.
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Ein vom Verkäufer erstellter Geschäftsplan hilft, eine belastbare Bewertung durchzuführen und damit die Kaufpreisvorstellung zu untermauern. Zudem wird die finanzierende Bank des Erwerbers einen Geschäftsplan nachfragen. Die Discounted Cash Flow Analyse, also die Abzinsung der zukünftig generierten Überschüsse (Cash Flows) eines Unternehmens, ist das anerkannteste Bewertungsverfahren. Es ist hilfreich, wenn der Verkäufer den Plan nicht nur wegen des Verkaufs erstellt, sondern bereits in der Vergangenheit Geschäftspläne gemacht hat und diese auch eingetreten sind. Planungssicherheit hilft die weiter unten angesprochene Informationsasymmetrie zu reduzieren.
Mit Hilfe eines belastbaren Geschäftsplan lassen sich Werttreiber des Unternehmens identifizieren und eine Bewertung durchführen. Außerdem kann der Geschäftsplan helfen, unterschiedliche Bewertungsannahmen zu überbrücken. So lässt sich auf Basis des Geschäftsplan zum Beispiel eine Beteiligung des Verkäufers an zukünftigen Erträgen (Besserungsschein oder Earn-out) strukturieren.
Wichtig bei der Ermittlung des Unternehmenswertes ist, auf übergeordneter Ebene zu identifizieren, was eigentlich verkauft wird. Das mag etwas philosophisch klingen, hilft aber den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Verkauft man Kundenkontakte, Vertragsbeziehung oder das Netzwerk des Inhabers? Ist es der Zugang zu einem Markt, Produktions-Know-how oder ein optimierter Prozess?
Ist das was man verkauft dokumentiert beziehungsweise institutionalisiert oder ruht alles in der Hand des Inhabers? Eine Faustregel ist: Je formaler und vom Inhaber unabhängiger die Strukturen sind, desto mehr Wert repräsentieren sie für den Käufer. Hat die rechte Hand des Chefs Prokura oder ist sie Geschäftsführer, dann hat das einen ganz anderen Stellenwert als die informelle Position. Arbeitet man mit einem guten Dutzend Teilzeitkräften auf Zuruf oder hat man ein eingespieltes Team von fünf erfahrenen festangestellten Mitarbeitern? Lässt sich das Geschäft vom Homeoffice aus einfach leiten oder gibt es ein Büro und fest installierte Strukturen mit den Mitarbeitern? Das heißt nicht, dass man schlanke Strukturen durch Bürokratie ersetzen sollte, aber ein greifbares und formales „Set-up“ gibt dem Unternehmen Substanz. Und die formale Beförderung der rechten Hand oder der Arbeitsvertrag mit einer Hilfskraft auf Zuruf belastet die Kostenstruktur eines Unternehmens in der Regel nicht.
Für die Bewertung eines Unternehmens ist die Risikoeinschätzung entscheidend. Das Risiko bestimmt die Höhe der Abzinsung der zukünftigen Erträge (s. o.), die Höhe der angewendeten Multiples und Risikoabschläge auf Planzahlungen. Hierdurch wird Unternehmenswert maßgeblich beeinflusst. Beim realen Unternehmensverkauf ist es wichtig, den Käufer von den bleibenden Werten des Unternehmens zu überzeugen. Naturgemäß kennt der Verkäufer das Unternehmen inn- und auswendig. Für den Käufer dagegen ist zunächst vieles unklar. Deshalb gilt es die Informationsasymmetrie, die zu einer unterschiedlichen Risikoeinschätzung führt, zu reduzieren. Dies geschieht durch eine strukturierte Unternehmensprüfung (englisch „Due Diligence“), bei der der Verkäufer den Käufer unterstützt. Die Materialien und Unterlagen hierbei stellt der Verkäufer qualifizierten Interessenten zur Verfügung. Je transparenter und umfänglicher die Unternehmensprüfung erfolgen kann, umso weniger Risikoabschläge wird der Käufer vornehmen beziehungsweise umso weniger Garantien und Gewährleistungen wird er im Kaufvertrag fordern.
Besteht Einigung bei der Unternehmensbewertung und beim Kaufpreis, so heißt das nicht, dass es auch einen Konsens über die Zahlungsmodalitäten, also den Verkaufserlös gibt. Es sind grundlegende Punkte zu beachten: Vereinfacht gilt, dass der Unternehmenswert gleich Eigenkapital plus Nettofinanzverbindlichkeiten ist. Schulden minus nichtbetriebsnotwendige Barmittel sind also vom Wert abzuziehen.
Manchmal ist das Eigenkapital auch um Schwankungen beim Nettobetriebsvermögen anzupassen. Dabei sind folgende kritische Fragen zu klären: Wie hoch sind nichtbetriebsnotwendige Barmittel, wie hoch ist das normalisierte Nettobetriebsvermögen? Je nach Fall kann das kompliziert oder einfach sein: Bei einem Unternehmen mit großem und schnell umgeschlagenem Lager (zum Beispiel bei einem Händler mit saisonalen Weihnachtsgeschäft) ist eine saubere Abgrenzung wesentlich und entscheidend. Bei einem Dienstleistungsunternehmen ohne Vorräte und mit einem nichtsaisonalen Geschäftsverlauf ist eine Abgrenzung eher vernachlässigbar.
Löst man diese Fragen und auch gegebenenfalls offene Punkte hinsichtlich der Ausschüttung beziehungsweise Refinanzierung nichtausgeschütteter Gewinne, stellt sich die Frage: Wann wird bezahlt und unter welchen Modalitäten? Der Hintergrund ist zum einen die Finanzierung des Kaufpreises (sprich Verkäuferdarlehen), aber auch die Incentivierung des Verkäufers, dass versprochene Umsatz- oder Gewinnziele erreicht werden (also das Thema Earn-out oder Besserungsschein). Beides bedeutet eine Bezahlung eines Teils des Kaufpreises erst zu einem späteren Zeitpunkt und gegebenenfalls nur unter bestimmten Bedingungen. Beide Fälle bedeuten somit zusätzliches Risiko für den Verkäufer.
Will man noch mehr Komplexität hinzufügen, so gibt es auch die Möglichkeit, über Kauf- oder Verkaufsoptionen Anteile erst zu einem späteren Zeitpunkt zu transferieren. Nicht all diese Möglichkeiten kommen regelmäßig bei Unternehmensverkäufen zur Anwendung und oft gilt je einfacher desto besser – aber man sollte für die Diskussion gewappnet sein und gegebenenfalls solche Möglichkeiten der Transaktionsstrukturierung für die Optimierung des Verkaufsergebnisses im Sinne von Verkäufer und Käufer in Betracht ziehen.
Kaufpreisrelevant ist auch die Ausgestaltung des Kaufvertrages. Gibt der Verkäufer mehr und höhere Garantien und Gewährleistungen, dann ist der Käufer gegebenenfalls bereit einen höheren Kaufpreis zu bezahlen.
Um abschließend auf die drei Begriffe vom Anfang im direkten Vergleich zurückzukommen: Der Unternehmenswert ist selbst unter Anwendung objektiver praxiserprobter Bewertungsverfahren eine theoretische Größe, solange es nicht zu einer realen Transaktion mit einem tatsächlichen Preis kommt. Der daraus resultierende Verkaufserlös, hängt von den individuellen vertraglichen Regelungen ab und kann Barkomponenten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auch andere Formen der Kompensation (Schuldenübernahme etc.) enthalten.
Es ist auf jeden Fall ratsam sich rechtzeitig die Unterstützung eines praxiserfahrenen Beraters zu sichern, um nicht nur Fallstricken aus dem Weg zu gehen, sondern auch um das Ergebnis des Verkaufsprozesses zu optimieren.