20. September 2022
Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn, ist die Anzahl anstehender Unternehmensnachfolgen weiterhin steigend. Für den Zeitraum von 2022 bis 2026 werden bundesweit über 190.000 Unternehmensnachfolgen erwartet. Hierbei soll rund ein Drittel der Übertragungen unternehmensexterne Lösungen beinhalten. Als unternehmensexterne Lösung gilt insbesondere die Übertragung an externe Führungskräfte, andere Unternehmen oder andere Interessenten von außerhalb.
Dabei sind die Gründe für eine externe Unternehmensnachfolge ebenso vielfältig wie die Motive der Unternehmensverkäufer. Neben der klassischen Altersnachfolge kann es sich insbesondere um einen Erbfall, einen strategischen Verkauf oder den Wunsch einer beruflichen Neuorientierung handeln.
Wer ein Unternehmen kaufen möchte, kommt an einer fundierten Unternehmensanalyse nicht vorbei. Durch die unterschiedlichen Interessen der Vertragsparteien gestaltet sich die Findung eines geeigneten Haftungsrahmens oftmals schwierig. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen bemüht sich der Verkäufer stets um eine Reduktion des Haftungsrisikos, wohingegen der Käufer regelmäßig an einem ausführlichen Garantiekatalog interessiert ist.
Zu beachten ist, dass neben den vertraglichen Vereinbarungen im Kaufvertrag, auch mit gesetzlichen Gewährleistungsregelungen und Garantien erhebliche Haftungsrisiken einhergehen.
Abhängig von der jeweiligen rechtlichen, steuerlichen und unternehmerischen Ausgangslage, können Unternehmenstransaktionen grundsätzlich als Share Deal oder als Asset Deal ausgestaltet werden.
Bei dem sogenannten Share Deal handelt es sich um einen Rechtskauf nach § 453 BGB, bei dem die zum Verkauf stehenden Anteile an der Zielgesellschaft erworben werden und auf einen neuen Rechtsträger übergehen. Vorgenannte Anteile können hierbei insbesondere Gesellschaftsanteile an einer Personengesellschaft oder Geschäftsanteile an einer Kapitalgesellschaft (beispielsweise GmbH-Anteile oder Aktien) sein. Im Rahmen eines Share Deal geht das Unternehmen „als Ganzes“ mitsamt seinen bestehenden Verträgen, Verbindlichkeiten, Forderungen und sonstigen Rechten und Pflichten an den Käufer über
Der sogenannte Asset Deal ist ein Unternehmenskauf, bei dem einzelne Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter erworben werden. Anders als beim Share Deal werden beim Asset Deal keine Unternehmensanteile erworben.
Abhängig von der jeweiligen Transaktionsform, tritt der Käufer beim Erwerb eines Unternehmens in die zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs bestehende Rechtsstellung des Verkäufers ein. Im Grundsatz begründet dies sowohl die fortlaufende Haftung des Verkäufers aus gesetzlichen Vorschriften als auch die Haftung für Altverbindlichkeiten.
Wenngleich das BGB keine speziellen Regelungen für Unternehmenstransaktionen enthält, gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 433 ff. BGB. Allerdings wird das gesetzliche Gewährleistungsrecht den Bedürfnissen und Interessen der Vertragsparteien beim Unternehmensverkauf oftmals nicht gerecht. Exemplarisch zeigt sich dies insbesondere am Vorrang der Nacherfüllung oder der hohen Komplexität einer Rückabwicklung der Transaktion, die von den Parteien zumeist nicht gewollt ist.
Nach anglo-amerikanischem Vorbild werden die gesetzlichen Haftungsregelungen in der Praxis zugunsten eines individuellen und eigenständigen Haftungsregimes, der sogenannten Garantiehaftung, abbedungen. Der Umfang der Garantiehaftung variiert dabei in Abhängigkeit von der Größe der Transaktion. Bei einem Garantieverstoß haftet der Verkäufer in der Regel verschuldensunabhängig. Inhaltlich ist der Verkäufer verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bei Einhaltung der Garantie bestehen würde (Naturalrestitution) oder ersatzweise Schadensersatz zu leisten.
Im Rahmen des zuvor beschriebenen Share Deal gehen die Anteile an der Zielgesellschaft auf einen neuen Eigentümer über. Der Rechtsträger des Unternehmens, beispielsweise die GmbH oder Aktiengesellschaft, bleibt als solches bestehen. Der Käufer erwirbt die Gesellschaft mit sämtlichen Aktiva und Passiva, auch die Haftungsverhältnisse bleiben folglich bestehen und gehen auf den Käufer über.
Demgegenüber werden beim Asset Deal lediglich einzelne Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter erworben. Zudem können auch bestehende Verträge an den Käufer übertragen werden, jedoch bedarf es hierbei nach § 415 BGB grundsätzlich der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners. Denn anders als beim Share Deal, tritt der Käufer nicht in die Rechtsstellung des bisherigen Anteilseigners ein.
Durch die Möglichkeit des „Cherry-Pickings“ kann der Käufer gerade davon Abstand nehmen, Verbindlichkeiten und sonstige Haftungsverhältnisse zu übernehmen, sodass diese beim veräußernden Unternehmen verbleiben. Zu beachten ist jedoch, dass aufgrund gesetzlicher Vorschriften auch eine über die vertraglichen Regelungen hinausgehende Haftung begründet werden kann.
Im Rahmen des Asset Deal ist es möglich einzelne Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter zu erwerben und damit insbesondere die Verbindlichkeiten zurückzulassen. Reichen die Veräußerungserlöse jedoch nicht aus, um die Gläubiger zu befriedigen, muss das veräußernde Unternehmen Insolvenz anmelden. In diesem Fall ist es dem Insolvenzverwalter möglich, die Transaktion wegen Gläubigerbenachteiligung anzufechten und die erworbenen Assets vom Käufer zurückzufordern, während der Käufer im Gegenzug nur den nach der Insolvenzquote gezahlten Kaufpreis erhalten würde.
Aus arbeitsrechtlicher Perspektive ist der Share Deal, bei dem der Käufer die Anteile am Unternehmen erwirbt und der Rechtsträger als solcher bestehen bleibt, unproblematisch. Da der Arbeitgeber derselbe bleibt, findet § 613a BGB keine Anwendung.
Beim Asset Deal hingegen werden lediglich einzelne Vermögensgegenstände aus der Gesellschaft erworben. Der Käufer wählt folglich aus, in welche Verpflichtungen und Verträge er eintreten möchte. Eine Ausnahme hierzu kann sich aus dem Arbeitsrecht ergeben: Im Falle eines Betriebsübergangs regelt § 613a BGB, dass automatisch und ohne zusätzliche vertragliche Regelung sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den Käufer übergehen, sofern die betroffenen Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nicht widersprechen.
Das Vorliegen eines Betriebsübergangs ist im Einzelfall zu prüfen. Der obersten Rechtsprechung folgend, ist die Weiterführung einer wirtschaftlichen Einheit in Ihrer Identität entscheidend. So kann beim Erwerb reiner Aktiva nicht von einem Betriebsübergang gesprochen werden. Vielmehr muss dieselbe oder eine gleichartige Tätigkeit wie im veräußernden Unternehmen ausgeübt werden.
Zwar tritt der Käufer im Rahmen eines Asset Deals grundsätzlich nicht in die Rechtsstellung des bisherigen Anteilseigners ein, jedoch gibt es auch hier eine gesetzliche Ausnahmeregelung. So haftet nach § 25 I S.1 HGB derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt mit seinem gesamten Vermögen für alle im Betrieb des Geschäfts liegenden Verbindlichkeiten des früheren Inhabers.
Folglich kommt auch eine Haftung des Käufers für Verbindlichkeiten des Verkäufers in Betracht, die nicht ausdrücklich vertraglich geregelt worden ist. Hierbei ist nicht das Vorliegen eines Übernahmevertrags entscheidend, sondern vielmehr der tatsächliche Erwerb. Daher ist es zwar schwierig die Haftung im Außenverhältnis gegenüber Dritten zu beschränken, jedoch können im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien entsprechende Freistellungsklauseln regeln, wer für welche Verbindlichkeiten haftet.
Auch aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten können sich Haftungsrisiken für den Käufer beim Asset Deal ergeben. So haftet nach § 75 AO derjenige für rückständige Steuerverbindlichkeiten des Unternehmens, der ein Unternehmen oder einen Teilbetrieb eines Unternehmens „im Ganzen“ erwirbt.
Während Haftungsauslöser dabei der Erwerb eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils ist, sind die Betriebssteuern, Steuerabzugsbeträge sowie Erstattungsschulden (wegen zu Unrecht in Anspruch genommener Steuervergütungen) der Haftungsgegenstand. Zu beachten ist, dass die Betriebssteuern lediglich entstanden sein müssen, auf die jeweilige Fälligkeit kommt es nicht an. Mit Betriebssteuern sind konkret Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Verbrauchssteuer gemeint. Die Haftung umfasst sowohl die von dem Unternehmen einzubehaltenden und abzuführenden Steuern als auch Erstattungsschulden wegen zu Unrecht in Anspruch genommener Steuervergütungen, sofern sie seit dem Beginn des letzten Jahres vor Übereignung des Zielunternehmens entstanden sind.
Der Haftungsumfang ist auf das übernommene Vermögen beschränkt. In zeitlicher Hinsicht greift die Haftung, wenn Steuern und Abzugsbeträge seit Beginn des letzten vor der Vermögensübertragung liegenden Kalenderjahres entstanden sind.
Aufgrund der Vielzahl an vertraglichen und gesetzlichen Haftungsrisiken, geht dem Unternehmenskauf oder dem Erwerb eines Teilbetriebs regelmäßig eine umfassende Prüfung der Zielgesellschaft voraus. Die sogenannte Due Diligence Prüfung dient der Identifikation gegenwärtiger und künftiger Haftungsrisiken der Vertragsparteien.
Dem Käufer ist es somit möglich die mit dem Unternehmenskauf einhergehenden Haftungsrisiken aufzudecken und insbesondere im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen sodann entsprechende vertragliche Regelungen zur Absicherung der Haftungsrisiken aufzunehmen. Dies erfolgt in der Praxis durch die Aufnahme eines individuellen Garantiekatalogs im Kaufvertrag.
Bei Unternehmenstransaktionen gehört die Haftung der Vertragsparteien zu den wichtigsten und gleichzeitig meistdiskutierten Verhandlungspunkten des Kaufvertrages. Unabhängig von der individuellen Transaktionsart, können mit dem Erwerb eines Unternehmens oder eines Teilbetriebs erhebliche Haftungsrisiken einhergehen.
Mit dem Ziel eines individuellen und eigenständigen Haftungsregimes bedarf es zielführender vertraglicher Regelungen in Form einer sogenannten Garantiehaftung. Neben vertraglichen Regelungen sollte das Augenmerk zudem auf die dargestellten gesetzlichen Regelungen gelegt werden. Zur Identifikation bestehender Haftungsrisiken, ist eine fundierte Unternehmensanalyse im Rahmen einer Due Diligence Prüfung unerlässlich.
Neben einem tiefen Verständnis der marktüblichen Regelungsmechanismen, ist in den Verhandlungen ein Höchstmaß an unternehmerischem Denken Voraussetzung für eine erfolgreiche Transaktion.
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